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100 Tage nach Aufhebung der EU-Sanktionen ist Belarus repressiver als noch vor einem Jahr, zeigt eine Analyse von Libereco

Am Freitag, den 3. Juni sind genau 100 Tage vergangen seitdem die EU ihre Sanktionen gegenüber Belarus (Weißrussland) aufgehoben hat. Diese Maßnahme schien eine Reaktion auf den Liberalisierungskurs zu sein, auf dem der autoritäre Staat sich zu befinden scheint. Eine Analyse der Menschenrechts- organisation „Libereco – Partnership for Human Rights“ zeigt allerdings, dass sich der Druck auf die Zivilgesellschaft eher erhöht hat. Ein 100-tägiges Monitoring ergab, dass die alltäglichen Repressionen nicht abgenommen haben, sondern lediglich weniger sichtbar geworden sind. Liberecos Ergebnisse stehen im Widerspruch zur sich öffnenden Haltung der EU gegenüber dem Land, dass Aliaksandr Lukashenka seit 22 Jahren regiert.

Am 15. Februar 2016 empfahl der Rat für Auswärtige Angelegenheiten der EU die Aufhebung der Sanktionen gegen Belarus. Zehn Tage später folgte der Rat der Europäischen Union diesem Vorschlag. Dies markierte den bisherigen Höhepunkt der politischen Rehabilitierung des Lukashenka-Regimes durch die EU, welche bereits Mitte 2014 begann: Angesichts der Ukraine-Krise und der Verschlechterung der Beziehungen zu Russland wurde Belarus als stabiler Partner an den östlichen EU-Außengrenzen identifiziert, und eine entsprechend zugewandte Politik eingeleitet. Allerdings wurden die Sanktionen ursprünglich nicht für diplomatische Zwecke eingeführt, sondern um Belarus zu mehr Rechtsstaatlichkeit und der Eindämmung von Menschenrechtsverletzungen zu motivieren.

Liberecos Analyse der letzten 100 Tage zeigt, dass sich die Situation der Menschenrechte in Belarus keineswegs verbessert, und sich im Vergleich zu 2015 sogar teilweise verschlechtert hat. Die Bestrafungen und Verfolgungen wurden jedoch unterhalb eines Niveaus gehalten, das internationale Aufmerksamkeit erregen würde.

Mehr Todesurteile wurden verhängt
Belarus ist das einzige Land Europas, das an der Todesstrafe festhält. Im Untersuchungszeitraum hat sich die Anwendung eher intensiviert, als dass sie abgenommen hätte. Die Anzahl der Todesurteile und Exekutionen übersteigt bereits jetzt die des gesamten Jahres 2015.

„Todesstrafe ist legaler Mord“ sagt Andrej Paluda, Koordinator der Kampagne gegen die Todesstrafe in Belarus: „Jedes Todesurteil macht den belarussischen Staat zu einem Mörder. Ein Ende dieser inhumanen Praxis scheint nicht in Sicht zu sein. Noch vor ein paar Wochen verteidigte die Regierung sie bei einer internationalen UN-Konferenz.“

Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark beeinträchtigt
Dr. Imke Hansen, Wissenschaftlerin im Auftrag von Libereco, stellt fest: „In Belarus ist es riskant, eine eigene Meinung zu haben und dafür einzustehen; selbst zu Themen, die nicht mit der Staatspolitik zu tun zu haben scheinen, wie Umweltschutz oder die Kosten der medizinischen Versorgung. Zwar scheinen die Einschränkungen von zivilgesellschaftlichen Aktivitäten, vor allem der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, weniger sichtbar zu sein – sie haben aber nicht abgenommen.“ So wird vermieden, Demonstrationen gewaltsam aufzulösen und Kurzhaftstrafen zu verhängen – Maßnahmen, die auch für die ausländische Berichterstattung von Interesse sein könnten. Die Anzahl an Bußgeldern für die Teilnahme an friedlichen Demonstranten hat sich allerdings versechsfacht. Die Summe der Bußgelder, die in den untersuchten 100 Tagen verhängt wurden, entspricht den Gehältern von 55 Polizeibeamten für dieselbe Zeit.

Ungeachtet dessen gelang es den belarussischen Behörden einen weniger repressiven und damit international akzeptableren Eindruck zu vermitteln. Es ist zu befürchten, dass das bevorstehende Votum der UN über den Abzug des UN-Sonderberichterstatters über die Menschenrechtslage in Belarus Lukashenkas Erfolg wiederspiegeln wird.

Libereco schließt sich der Forderung der International Federation for Human Rights (FIDH) an, die Menschenrechtslage in Belarus weiterhin zu beobachten. Die Ergebnisse der Analyse offenbaren, dass der belarussische Staat nach wie vor die Grundrechte seiner Bürger bewusst und erheblich verletzt. Wir rufen die Europäische Union dazu auf, Belarus weiterhin dazu anzuhalten, Menschen- und Bürgerrechte zu respektieren und die Todesstrafe abzuschaffen.

Kontakt für Rückfragen:
Dr. Imke Hansen, imke.hansen@lphr.org

Weitere Informationen der FIDH zur UN-Abstimmung: #act4belarus

Disclaimer/Förderung:
Sowohl die Publikation als auch die Erhebung und Auswertung erfolgte durch ehrenamtlich arbeitende Mitglieder von Libereco und Viasna. Wir haben keinerlei finanzielle Mittel von Drittparteien erhalten. Falls Sie unsere Menschenrechtsarbeit zur Achtung der bürgerlichen und politischen Freiheitsrechte in Belarus unterstützen möchten, dann können sie per Überweisung oder via Paypal spenden.

Die Analyse und die folgenden Infografiken sind für jegliche Nutzung kostenfrei nutzbar:


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