In einem offenen Brief wenden sich 18 schweizer Parlamentarier von SP, Grünen, CVP und EVP an den belarussischen Justizminister, Innenminister und Generalstaatsanwalt und fordern die Freilassung der inhaftierten Schweizerin Natallia Hersche.
Die schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin aus St. Gallen wurde bei einer Frauen-Kundgebung am 19. September in Minsk festgenommen. Am Dienstag dieser Woche, ihrem 51. Geburtstag, konnte sie der Schweizer Botschafter Claude Altermatt erstmals seit ihrer Verhaftung im Gefängnis besuchen.
Libereco betrachtet Natallia Hersche als politische Gefangene, deren Verhaftung willkürlich und politisch motiviert ist. Die St. Galler Nationalrätin Barbara Gysi hat die symbolische Gefangenen-Patenschaft für Natallia Hersche im Rahmen der Kampagne #WeStandBYyou übernommen und den offenen Brief der Abgeordneten aus Nationalrat und Ständerat initiiert.
Der offene Brief im Wortlaut
Freilassung von Natallia Hersche
An
Justizminister Oleg Slizhevsky
Innenminister Yury Karaev
Generalstaatsanwalt Andrei Shved
Republik Belarus
Sehr geehrte Herren
Am 19. September 2020 wurde Natallia Hersche, eine schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin aus St. Gallen, in Minsk verhaftet. Sie war am 11. September in ihr früheres Heimatland gereist und hatte dort an einer friedlichen Frauen-Kundgebung teilgenommen.
Weil sie bei ihrer Verhaftung einem Polizisten seine Sturmhaube abgenommen haben soll, wurde sie wegen angeblichen gewaltsamen Widerstandes gegen Strafverfolgungsbeamte angeklagt. Natallia Hersche beteuert ihre Unschuld. Ihr drohen in Belarus unter Artikel 363 des belarussischen Strafgesetzbuches bis zu 5 Jahre Gefängnis.
Wir betrachten die Inhaftierung von Natallia Hersche als willkürlich und politisch motiviert und fordern Sie dazu auf, sie sofort und bedingungslos freizulassen und ihr eine umgehende Rückkehr in die Schweiz zu ermöglichen.
Mit grosser Sorge haben wir in den vergangenen Wochen die gewaltsamen Übergriffe von Polizeikräften und Sondereinheiten auf friedliche Demonstranten in Belarus verfolgt. Wir sind bestürzt über mehr als 14’000 willkürliche Festnahmen seit Anfang August sowie über zahlreiche Berichte von Folter und Misshandlung in Haft.
Wir fordern Sie in Ihrer Funktion als amtierenden Justizminister, Innenminister und Generalstaatsanwalt der Republik Belarus entschieden dazu auf, die Einschüchterung, Verfolgung und Inhaftierung von friedlichen Demonstranten, Oppositionellen, Menschenrechtsaktivisten und Medienvertretern umgehend zu beenden und die fundamentalen Menschenrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ohne Einschränkungen zu garantieren.
Stoppen Sie die Gewaltanwendung durch belarussische Sicherheitskräfte und lassen Sie Natallia Hersche sowie alle anderen politischen Gefangenen umgehend frei.
Als Mitglieder der Schweizer Nationalrates und Ständerates stehen wir fest an der Seite aller Menschen, die sich in Belarus für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit engagieren und protestieren.
Hochachtungsvoll
Barbara Gysi, Nationalrätin St. Gallen, SP
Claudia Friedl, Nationalrätin St. Gallen, SP
Nicolo Paganini, Nationalrat St. Gallen, CVP
Franziska Ryser, Nationalrätin St. Gallen, GRÜNE
Lilian Studer, Nationalrätin Aargau, EVP
Samira Marti, Nationalrätin Basel-Landschaft, SP
Marianne Streiff, Nationalrätin Bern, EVP
Nicolas Walder, Nationalrat Genf, GRÜNE
Lisa Mazzone, Ständerätin Genf, GRÜNE
Laurence Fehlmann Rielle, Nationalrätin Genf, SP
Jon Pult, Nationalrat Graubünden, SP
Martina Munz, Nationalrätin Schaffhausen, SP
Brigitte Crottaz, Nationalrätin Waadt, SP
Fabian Molina, Nationalrat Zürich, SP
Nik Gugger, Nationalrat Zürich, EVP
Céline Widmer, Nationalrätin Zürich, SP
Priska Seiler Graf, Nationalrätin Zürich, SP
Mattea Meyer, Nationalrätin Zürich, SP