Zwei Jahre nach Beginn einer beispiellosen Repressionswelle des belarusischen Regimes gegen Andersdenkende legt die deutsch-schweizerische Menschenrechtsorganisation Libereco einen Grafik-Report zur Situation der mittlerweile über 1100 politischen Gefangenen in dem EU-Nachbarland vor.

Mit der Verhaftung des Bloggers Uladzimir Niaronski am 8. Mai 2020 begann in Belarus eine Welle staatlichen Terrors, die seitdem andauert. Niaronski war Autor eines oppositionellen Youtube-Kanals und wurde deshalb zu 3 Jahren Haft verurteilt. Nur wenige Wochen nach ihm wurden auch die beiden Präsidentschaftskandidaten Siarhei Tsikhanouski und Viktar Babaryka festgenommen, die mittlerweile zu drakonischen Haftstrafen von 18 beziehungsweise 14 Jahren verurteilt wurden.

Die Repression in Zahlen

Libereco hat alle vom belarusischen Menschenrechtszentrum Viasna bisher dokumentierten Fälle politischer Gefangenen ausgewertet. Demnach erhöhte sich die Anzahl der politischen Gefangenen von 187 Inhaftierten im Jahr 2020 auf nunmehr 1225. In den ersten vier Monaten dieses Jahres sind bereits 119 neue Fälle hinzugekommen. Mit 87 Prozent ist der Mehrzahl der Inhaftierten männlich.

Fünf politische Gefangene sind bereits länger als 600 Tage inhaftiert ohne dass sie bisher überhaupt zu irgendeiner Haftstrafe verurteilt worden sind. Insgesamt warten 30 Prozent der Inhaftierten nach wie vor auf ihr Urteil, während 70 Prozent der politischen Gefangenen zu Haftstrafen zwischen 9 Monaten und 20 Jahren verurteilt worden sind. Die Gesamtdauer aller bisher verhängten Haftstrafen der gegenwärtig Inhaftierten beläuft sich auf unfassbare 2756 Jahre – was über einer Million Tagen entspricht.

Am Tag der Veröffentlichung dieses Berichts am 12. Mai werden die derzeitigen politischen Gefangenen zusammengenommen schon mehr als 400.000 Tage unschuldig im Gefängnis gewesen sein. Einer von ihnen ist Mikita Zalatarou, der als jüngster politischer Gefangener des Landes seinen 18. Geburtstag am heutigen 12. Mai im Gefängnis verbringen muss. Er wurde im Alter von 16 Jahren festgenommen, leidet unter Epilepsie und wurde zu 5 Jahren Haft in einer Jugendstrafanstalt verurteilt. Auch Vital Zaradzei, der älteste politische Gefangene in Belarus, wird seinen 70. Geburtstag am 6. Juni im Gefängnis verbringen müssen, nachdem er zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Karlspreis für belarusische Dekomkratiebewegung

Unter den politischen Gefangenen befindet sich mit Maria Kalesnikava auch eine der diesjährigen Preisträgerinnen des Internationalen Karlspreises, der am 26. Mai in Aachen verliehen wird. Die zu 11 Jahren Haft verurteilte Kalesnikava erhält die Auszeichnung zusammen mit den Führungsfiguren der belarusischen Demokratiebewegung, Swetlana Tichanowskaja und Veronika Tsepkalo.

„Im Schatten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hält der belarusische Diktator Lukaschenko weit mehr als 1000 politische Gefangene als persönliche Geiseln, deren Leben in Gefahr sind solange seine Schreckensherrschaft weitergeht. Die westlichen Regierungen sind dringend dazu aufgefordert, den wirtschaftlichen und politischen Druck auf das Lukaschenko-Regime zu erhöhen. Sämtliche gegenüber Russland verhängten Sanktionen müssen auf Belarus ausgedehnt werden. Alle ausländischen Unternehmen sollten sich ausnahmslos und vollständig aus Belarus zurückziehen“, fordert Lars Bünger, Präsident von Libereco in der Schweiz.

Solidarität mit politischen Gefangenen in Belarus

Libereco hat bereits im Juli 2020 die Solidaritätskampagne #WeStandBYyou gestartet, in deren Rahmen sich Abgeordnete europäischer Parlamente sich für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus stark macht. Mittlerweile haben bereits mehr als 300 Parlamentarier*innen aus über einem dutzend europäischen Ländern eine Patenschaft für eine*n politische*n Gefangene*n aus Belarus übernommen. Mit einer Online-Petition fordert Libereco zudem die Freilassung von Maria Kalesnikava und allen anderen politischen Gefangenen.