Raman Pratasevich

Die gestrige Entführung eines Ryanair-Flugzeugs durch das belarusische Regime ist ein nie dagewesener Akt staatlichen Terrorismus mitten in Europa. Ziel der offenbar von Diktator Lukaschenko angeordneten Flugzeugentführung war die Geiselnahme des regime-kritischen Bloggers Raman Pratasevich und seiner Freundin Sofia Sapega.

“Die Flugzeugentführung ist der unfassbare Höhepunkt einer Woche des Schreckens in Belarus. Am Dienstag wurde die populärste belarusische Webseite tut.by abgeschaltet und deren Mitarbeiter festgenommen. Am Freitag starb der politische Gefangene Vitold Ashurak, der zu 5 Jahren Haft verurteilt wurde, im Gefängnis. Die Entführung von Pratasevich und Sapega ist nur die spektakulärste Geiselnahme von Regimegegnern – denn letztendlich sind alle der mehr als 400 politischen Gefangenen als Geiseln des belarusischen Regimes zu betrachten.” erklärt Jan-Henrik Wiebe, Pressesprecher der deutsch-schweizer Menschenrechtsorganisation Libereco – Partnership for Human Rights.

Libereco setzt sich seit Juli 2020 mit der Kampagne #WeStandBYyou für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus ein, in deren Rahmen bereits 178 Parlamentsabgeordnete aus 13 europäischen Ländern Patenschaften für politische Gefangene in Belarus übernommen haben. Bisher wurden in mehr als 260 Fällen Haftstrafen von insgesamt 850 Jahren verhängt, die höchste Einzelstrafe sind 18 Jahre.

Libereco betrachtet die bisher gegen Belarus verhängten Sanktionen europäischer Staaten als zu wenig wirksam. Die Hauptforderungen an das belarusische Regime müssen die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen, ein Ende der staatlichen Gewalt sowie freie und faire Neuwahlen sein.

Libereco empfiehlt den europäischen Staaten die Ergreifung folgender Massnahmen gegenüber Belarus:

    • Der Handel belarusischer Staatsanleihen durch europäische Banken soll verboten werden.
    • Belarusische Banken sollen aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem Swift ausgeschlossen werden.
    • Gegenüber allen belarusischen Richtern, Staatsanwälten, Staatsbeamten und Sicherheitskräften, die in Anklage, Verurteilung, Misshandlung, Folter und Tötung politischer Gefangener involviert sind, soll ein Einreiseverbot verhängt werden.
    • Die Mitgliedschaft des belarusischen staatlichen Rundfunks in der Europäischen Rundfunkunion soll solange suspendiert werden wie tut.by geschlossen ist.
    • Der deutsche Generalbundesanwalt soll Anklage gegen Belarus nach dem Weltrechtsprinzip aufgrund der kürzlich eingereichten Anzeige belarusischer Folter-Opfer erheben.
    • Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag soll eine strafrechtliche Verfolgung aller Verbrechen des Lukaschenko-Regimes aufnehmen – eine vorgerichtliche Prüfung von Beweisen, die vier NGOs gesammelt haben, findet seit dieser Woche statt. Die aktuelle Flugzeugentführung sollte in dieses Verfahren aufgenommen werden.

In den vergangenen Wochen haben insbesondere prominente Schweizer das belarusische Regime hofiert. René Fasel, Präsident des Eishockey-Weltverbandes, verharmloste die massive Gewalt des belarusischen Regimes gegenüber friedlichen Demonstranten erst vor wenigen Tagen im Interview mit dem Tages-Anzeiger als “diese blöde Situation mit den Wahlen im August” aufgrund derer Belarus die Eishockey-WM entzogen worden sei. Auch der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis bewies mangelndes diplomatisches Urteilsvermögen als er dem belarusischen Aussenminister Makei kürzlich in Bern den roten Teppich ausrollte, was Libereco als diplomatischen Faux-Pax und Schlag ins Gesicht aller politisch Verfolgten in Belarus bewertet.

“Die Hofierung des belarusischen Regimes durch die offizielle Schweiz muss nach der gestrigen Flugzeugentführung ein sofortiges Ende haben. Während die Schweizerisch-Belarusische Doppelbürgerin Natallia Hersche seit 8 Monaten als Lukaschenkos Geisel im belarusischen Gefängnis sitzt, traf Cassis den belarusischen Aussenminister zum Fototermin im Schweizer Parlament. Ein Treffen mit Makei wäre jedoch nur dann gerechtfertigt wesen, wenn Belarus als Gegenleistung die bedingungslose Freilassung von politischen Gefangenen wie Natallia Hersche zusagen würde. Herr Cassis und das EDA haben es nicht verstanden, konkrete menschenrechtliche Verbesserungen wie die Freilassung politischer Gefangener zu erreichen. Die Schweiz muss sich nun umgehend allen von der EU verhängten Sanktionen anschliessen und ihre moralisch höchst fragwürdige Appeasement-Politik gegenüber dem verbrecherischen Lukaschenko-Regime beenden.” fordert Lars Bünger, Präsident von Libereco Schweiz.